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#94 Jahreswirtschaftsbericht nennt größtes strukturelles Problem

 

veröffentlicht am 26.02.2024; Autor: Benjamin Schulze

Studienaussteiger-Veranstaltung 26.1.2022

Die deutsche Wirtschaft ist im Jahr 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft. Das hat vielfältige Gründe, wie Krieg, Krisen und Inflation. Besonders schwer wiegt jedoch der Fach- und Arbeitskräftemangel. Wir werfen gemeinsam einen Blick in den Jahreswirtschaftsbericht 2024 und schauen genauer hin beim Thema Arbeitsmarkt und den dazugehörigen Handlungsempfehlungen.

„Die größte Herausforderung für Deutschland ist der Arbeitskräftemangel. Wir brauchen alles Wissen und Können, alle Hände und Köpfe, alle Talente und Fähigkeiten“, erklärte Wirtschaftsminister Habeck am 21.02.2024 bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts 2024.

Mehr Angebotspolitik wagen

Das deutsche Potenzialwachstum (vereinfacht gesagt: das erwartbare Wachstum der deutschen Wirtschaft) verhält sich bereits seit längerer Zeit rückläufig. Im Jahreswirtschaftsbericht 2024 wird dieser Umstand als besonders besorgniserregend beschrieben. Mit einer gezielten und umfassenden Angebotspolitik will die Bundesregierung darauf reagieren bzw. reagiert sich bereits. Dabei geht es dadrum schlecht ausgebildet Standortfaktoren des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu identifizieren und gezielt zu stärken. Damit sind konkret gemeint, das schlechter werdende Angebot an verfügbaren Arbeitskräften, knappe Verfügbarkeit von günstiger Energie, hohe bürokratische Hürden oder Belastungen durch Steuern oder Abgaben, wenig verfügbarer Wohnraum sowie Infrastrukturmängel. Als zentrale Stellschraube werden folgerichtig die inländischen Standortbedingunggen für Unternehmen ins Zentrum gerückt. Wer zu wenige oder schlechte Anreize für deren Ansiedlung oder Verbleib setzt, verliert entscheidend an Standortattraktivität – lesen Sie mehr dazu gern im Thema Standortmarketing #57.

Zehn Handlungsfelder zur nachhaltigen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Unter diesem sperrigen Titel formuliert der Jahreswirtschaftsbericht 2024 verschiedene angebotspolitische Impulse, die den großen Herausforderung von Gegenwart und Zukunft entgegen gestellt werden.

  1. Wachstumschancengesetz zur Stärkung der Investitionsdynamik: Gesetz soll gezielte steuerliche Anreize für private Investitionen liefern (Gesetzgebungsverfahren läuft noch).
  2. Bürokratieentlastungsgesetz IV und weitere Bürokratieentlastungsmaßnahmen: Mit verschiedene Ansätzen, wie dem Digitalcheck, soll eine Trendwende zu weniger Bürokratie eingeleitet werden. Habeck selbst spitze das zu mit den Worten, „Wir brauchen einen Reformbooster.“
  3. Innovationsfähigkeit insgesamt und Investitionen in Schlüsseltechnologien sowie digitale Transformation erleichtern: Forschungs- und
    Entwicklungstätigkeit von Unternehmen soll z.B. durch Forschungszulage angereizt werden.
  4. Angebot an Arbeitskräften steigern: Maßnahmen der neuen bundesweiten Fachkräftestrategie zielen darauf ab die Attraktivität des Wirtschaftstandortes Deutschland für qualifizierte Erwerbspersonen aus dem Ausland zu erhöhen. Auch inländische Potenziale sollen noch strker gehoben werden. Diesen Punkt wollen wir unten weiter vertiefen.
  5. Kapitalmärkte und Finanzierungsbedingugen verbessern: Dafür soll die Integration des EU-Binnenmarktes im Rahmen der Kapitalmarktunion weiter ausgebaut werden. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll Deutschland als Investitionsstandort attraktiver für Gründungsinteressierte machen.
  6. Erneuerung des Wohlstands und Klimapläne harominisieren: Hürden für den Zubau erneuerbarer Energien sollen reduziert und Investitionen in diesen Bereichen erleichtert und beschleunigt werden.
  7. Fokussierung auf klimafreundliche Produktion: Dekabonisierung der Industrie soll vorangetrieben und weiter auf Klimafreundlichekti umgestellt werden. Unterstützung zur ökonomischen Sicherheit sollen vor allen Dingen Klimaschutzverträge und Projektfinanzierungen leisten.
  8. Handelspolitik weiter voranbringen: Neue Handelsabkommen und verbesserte Handels- und Investitionsbeziehungen sollen die Lieferbeziehungen weiter diversifizieren und dadurch die wirtschaftliche Resilienz steigern.
  9. Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen: Die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum als Standort- und Wachstumsvoraussetzung für weiteren Zuzug von ausländischen Arbeits- und Fachkräften wird erkannt. Durch Schaffung von Wohnraum soll die Attraktivität erhöht werden.
  10. Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur und nachhaltige Mobilität erhöhen Wettbewerbsfähigkeit: Für den klimafreundlichen Ausbau der Infrastruktur und deren Modernisierung sollen verstärkt Mittel eingesetzt werden.

Angebot an Arbeitskräften steigern

Im Jahreswirtschaftbericht 2024 heißt es sogleich unter der Überschrift „Arbeitsangebot stärken, Erwerbspotenziale erschließen“ wunderbar einfach: „Für eine gute Standortpolitik gehört es […] dazu, noch nicht ausgeschöpfte Erwerbspotenziale in den Blick zu nehmen und die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.“ (S. 46) Was es mit dem sogenannten Erwerbspersonenpotenzial auf sich hat, haben wir in unserem #Glossar erklärt. Außerdem haben wir hier #20 schon einmal Stellung bezogen, warum es bei weitem einfacher klingt, aber in der Praxis deutlich mit Schwierigkeiten behaftet ist, das Erwerbspersonenpotanzial zu erschließen.

Der Bericht nennt die klassischen Stellschrauben: 1. mehr Frauen, insbesondere Mütter, in den Arbeitsmarkt bringen, bestmöglich auf Vollzeitstellen, 2. mehr ältere Arbeitnehmer:innen länger im Arbeitsverhältnis behalten und später verrenten, 3. Aus- und Weiterbildung verbessern, und 4. mehr Zuwanderung ermöglichen. Die Maßnahmenliste, die diese drei Aspekte voranbringen möchte, ist lang. Es braucht nach dem Bericht mehr Angebote zur Kinderbetreuung (Ausbau sei in Planung), um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu ermöglichen, eine Vergünstigung bei der Ehegattenbesteuerung (in Vorbereitung) sowie Anreize für Gründer:innen (explizite Finanzierungsangebote und Förderugen sind angedacht).

Älteren Menschen kommt im Zuge des demografischen Wandels und des Arbeitskräftemangels eine zunehmende Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt zu. Deshalb wurde zum 01.01.2023 die Hinzuverdienstgrenze teilweise beseitig, um mehr Spielräume für den Übergang in den Ruhestand zu schaffen. Weitere Maßnahmen sind in Planung, um weitere Anreize zur Fortführung der Erwerbstätigkeit zu setzen.

Ende des Akatemisierungstrends?

Der Jahreswirtschaftsbericht stellt zumindest klar: „Die berufliche Bildung legt neben der akademischen Bildung die Grundlage für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses in Deutschland.“ (S. 51)  Das klingt zunehmend nach Gleichberechtigung.

Job-Turbo soll Einstieg von Geflüchteten erleichtern

Geflüchtete, die einen Integrationskurs absolviert haben, sollen so schnell wie möglich Arbeitserfahrung sammeln, ihre Sprachkenntnisse verfestigen sowie berufsbegleitend weiterentwickeln und dort, wo möglich und sinnvoll, weiter qualifiziert werden. Ziel ist eine möglichst zeitnahe, nachhaltige und angemessene Integration in den Arbeitsmarkt.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat unlängst einen rechtlichen Rahmen für die Erwerbsmigration aus Drittstaaten geschaffen – mehr dazu lesen Sie hier #82. Zum 1. Juni 2024 soll die sogenannte Chancenkarte neue Möglichkeiten für die Arbeitsplatzsuche schaffen. So erhalten z.B. Personen ohne
anerkannten Abschluss die Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems zunächst für ein Jahr.

Wollen Sie mehr zum Job-Turbo für Südniedersachsen erfahren, schauen Sie doch gleich hier rein. Wir werden demnächst mehr dazu im Blog berichten.

Ansprechpartner:

Dr. Benjamin W. Schulze
Bereichsleitung Fachkräfte und Willkommenskultur
T. 0551/270713-43
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