BLOG: Fachkräfte in Südniedersachsen
#136 Chancengleichheit in Berufsorientierung fördern
veröffentlicht am 20.11.2024; Autorin: Ulrike Streicher
In der modernen Arbeitswelt und Bildungslandschaft spielt die geschlechtersensible Berufsorientierung eine zentrale Rolle. Junge Menschen sollen Berufsfelder wählen können, die ihren individuellen Stärken und Interessen entsprechen – frei von Geschlechterklischees und Erwartungen. Eine geschlechtersensible Herangehensweise in der Berufswahl unterstützt die individuelle Entfaltung und fördert eine gerechtere Verteilung der Berufe in verschiedenen Sektoren, darunter insbesondere die sozialen und pflegerischen Berufe.
Warum ist geschlechtersensible Berufsorientierung wichtig?
Eine geschlechtersensible Berufsorientierung nimmt gesellschaftliche und kulturelle Rollenbilder unter die Lupe, die die Berufswahl beeinflussen können. Junge Männer und Frauen treffen ihre Berufswahl häufig noch in Anlehnung an stereotype Vorstellungen, wie „Männer arbeiten technisch, Frauen fürsorglich.“ Dieser Ansatz limitiert die Möglichkeiten und reduziert das berufliche Spektrum für viele Jugendliche. Studien belegen, dass durch gezielte geschlechtersensible Maßnahmen die Vielfalt in der Berufswahl erweitert und die Attraktivität eines breiten Spektrums an Berufen gesteigert werden kann.
Die Auswirkungen von Geschlechterstereotypen auf die Berufswahl
Berufsentscheidungen sind meist von persönlichen Interessen, aber auch von gesellschaftlichen Erwartungen geprägt. Junge Männer zögern häufig, sich für Berufe in sozialen oder pflegerischen Bereichen zu entscheiden, die als „Frauenberufe“ gelten. Die geschlechtersensible Berufsorientierung kann diese Hemmungen abbauen und neue Perspektiven schaffen, indem sie sowohl den Zugang zu sozialen Berufen für Männer als auch den zu technischen Berufen für Frauen öffnet. So entstehen vielfältige Chancen, um die Talente und Potenziale der Jugendlichen in allen Bereichen der Arbeitswelt einzusetzen.
Schlüsselfaktoren der geschlechtersensiblen Berufsorientierung
- Entstigmatisierung sozialer Berufe für Männer: Soziale Berufe bieten wertvolle Karrieremöglichkeiten und erfüllen einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Doch häufig werden sie als „weiblich“ angesehen, was junge Männer abschrecken kann. Durch gezielte Ansprache und die Darstellung von Rollenvorbildern können Stereotypen abgebaut und das Interesse an sozialen Berufen gefördert werden.
- Förderung individueller Stärken: Die geschlechtersensible Berufsorientierung hilft Jugendlichen, ihre eigenen Stärken zu erkennen und diese als Ausgangspunkt für eine klischeefreie Berufswahl zu nutzen. Hierbei steht im Vordergrund, Interessen und Fähigkeiten unabhängig von Geschlechterklischees zu entwickeln.
- Karriereperspektiven aufzeigen: Karriere- und Gehaltsaussichten spielen eine entscheidende Rolle. Wenn junge Männer erfahren, dass auch in der Pflege oder Erziehung Aufstiegschancen bestehen, werden diese Berufe attraktiver. In der geschlechtersensiblen Berufsberatung können die vielseitigen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten im sozialen Bereich deutlich gemacht werden.
Praktische Ansätze für die Umsetzung
Eine erfolgreiche geschlechtersensible Berufsorientierung erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Akteure – Schulen, Berufsschulen, Unternehmen und Berufsberatungsstellen. Hier einige bewährte Ansätze:
- Berufserkundungstage und Praktika in geschlechteruntypischen Berufen: Programme wie der Boys‘ Day und der Girls‘ Day bieten Jugendlichen die Möglichkeit, einen Tag in Berufsfelder zu schnuppern, die nicht den typischen Geschlechterrollen entsprechen. Solche Erfahrungen eröffnen neue Perspektiven und bauen Berührungsängste ab.
- Einbindung von Role Models: Vorbilder sind entscheidend, um Jugendliche für untypische Berufsfelder zu gewinnen. Wenn junge Männer männliche Fachkräfte in sozialen Berufen kennenlernen, können sie eine neue Sichtweise auf diese Berufsfelder entwickeln.
- Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit: Kampagnen und Informationsveranstaltungen können dazu beitragen, das Ansehen sozialer und technischer Berufe geschlechterübergreifend zu steigern. Die richtige Kommunikation ist ein Schlüssel, um stereotypfreie Berufswahl zu fördern.
Erfolgreiche Initiativen für geschlechtersensible Berufsorientierung
In Deutschland gibt es verschiedene Initiativen, die die geschlechtersensible Berufsorientierung fördern und langfristig zu einer gerechteren Berufswelt beitragen. Die Initiative Klischeefrei setzt sich seit 2016 dafür ein, dass junge Menschen bei der Berufswahl frei von Geschlechterzuschreibungen entscheiden können. Sie bietet Materialien und Schulungen für pädagogische Fachkräfte und Eltern an, um stereotype Berufsvorstellungen zu überwinden. Das Projekt Boys in Care richtet sich an Jungen und bietet ihnen die Möglichkeit, Einblicke in soziale und pflegerische Berufe zu erhalten – Bereiche, die oft als „typische Frauenberufe“ gelten. Durch praktische Erfahrungen in Berufen wie Erziehung und Pflege sollen Jungen motiviert werden, auch solche Berufsfelder in ihre Wahl einzubeziehen. Die Men in Care-Machbarkeitsstudie untersucht Strategien, um mehr Männer für Care-Berufe zu gewinnen. Sie analysiert, wie durch Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerke und geschlechtersensible Berufsberatung das Interesse an sozialen Berufen bei Männern gefördert werden kann. Die Studie hebt hervor, dass praktische Erfahrungen und Rollenvorbilder entscheidende Faktoren sind, um stereotype Barrieren zu überwinden. Das Projekt ECaRoM (Encouraging Caring Masculinities) zielt darauf ab, fürsorgliche Männlichkeitsbilder bereits in der frühkindlichen Erziehung zu stärken. ECaRoM entwickelt pädagogische Materialien und Konzepte, die Geschlechterstereotype in der Erziehung hinterfragen und Fürsorge als universelle Qualität zeigen.
Fazit: Mehr Vielfalt durch geschlechtersensible Berufsorientierung
Die geschlechtersensible Berufsorientierung trägt dazu bei, dass Jugendliche ihre Berufswahl ohne Einschränkungen durch Geschlechterklischees treffen können. Langfristig wird durch diesen Ansatz ein vielfältiger und gerechterer Arbeitsmarkt geschaffen, der die Potenziale und Interessen aller Menschen berücksichtigt. Maßnahmen zur Förderung geschlechteruntypischer Berufe und die gezielte Ansprache junger Menschen sind ein wichtiger Schritt hin zu einer gerechteren Verteilung der Berufe. Insgesamt ist die geschlechtersensible Berufsorientierung eine notwendige Strategie, um die beruflichen Interessen junger Menschen frei von Klischees zu fördern. Sie stellt sicher, dass individuelle Potenziale optimal genutzt werden und trägt zur Gleichberechtigung in der Berufswelt bei. Die beschriebenen Initiativen und Studien liefern hierfür wertvolle Ansätze und zeigen, wie ein nachhaltiger Wandel in der Arbeitswelt geschaffen werden kann.
Der Weiterbildungsverbund Südniedersachsen setzt sich für den Abbau von Geschlechterstereotype insbesondere in den Bereichen „Handwerk & Produktion“ sowie „Sozialwesen & Erziehung“ ein. Erfahren Sie hier mehr dazu.
Ansprechpartner:
Dr. Benjamin W. Schulze Bereichsleiter Fachkräfte und Willkommenskultur T. 0551/270713-43 mailen
Anfrage
Wir verwenden Ihre Angaben zur Beantwortung Ihrer Anfrage. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Google ReCAPTCHA zu laden.