BLOG: Fachkräfte in Südniedersachsen

#127 Willkommenskultur im Fokus

veröffentlicht am 19.09.2024; Autorin: Ulrike Streicher 

Abbildung von Brot, Bier und Getreide

Die Diskussion um gezielte Einwanderung und den Fachkräftebedarf in Deutschland ist untrennbar mit dem Begriff „Willkommenskultur“ verbunden. Dieser Begriff hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und steht im Mittelpunkt der politischen und gesellschaftlichen Debatte über Migration und Integration. Doch was genau bedeutet Willkommenskultur, wie hat sich der Begriff entwickelt und welche Herausforderungen birgt er? In diesem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Dimensionen einer Willkommenskultur und deren Bedeutung für die Gesellschaft.

Was bedeutet Willkommenskultur?

Der Begriff „Willkommenskultur“ bezieht sich auf die Haltung einer Gesellschaft, die neuen Mitgliedern, insbesondere Migrant:innen, eine positive und offene Aufnahme signalisiert. Er umfasst sowohl die freundliche Begrüßung als auch konkrete Unterstützung, um Zuwandernden das Einleben zu erleichtern. Die Bedeutung von „Willkommen“ liegt in der herzlichen Aufnahme, während „Kultur“ die Art und Weise beschreibt, wie diese Haltung in den sozialen und administrativen Alltag integriert wird.

Der Soziologe Friedrich Heckmann beschreibt die Willkommenskultur als Begriff mit „sinnvoller Unschärfe“. Diese Unschärfe erlaubt es, den Begriff in verschiedenen Kontexten und Milieus anzuwenden. Heckmann unterscheidet dabei vier Ebenen, um den Stand der Willkommenskultur in einer Gesellschaft zu bestimmen:

  1. Individuum: Die persönliche Haltung und das Verhalten gegenüber Zuwanderern.
  2. Zwischenmenschliche Beziehungen: Die Art und Weise, wie Migranten in sozialen Interaktionen behandelt werden.
  3. Organisationen und Institutionen: Die Unterstützung und Integration von Zuwanderern in öffentlichen und privaten Einrichtungen.
  4. Gesellschaft: Die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz und Integration von Migranten.

Gesellschaftspolitische Dimension von Willkommenskultur

In der politischen Debatte wird Willkommenskultur oft als Ausdruck der Bereitschaft einer Gesellschaft interpretiert, Zuwandernde willkommen zu heißen und ihnen Perspektiven zu bieten. Diese Bereitschaft zeigt sich nicht nur in der sozialen Integration, sondern auch in praktischen Maßnahmen. Zu diesen Maßnahmen gehören die Vereinfachung bürokratischer Abläufe, Rekrutierungsinitiativen zur Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland und die Schaffung langfristiger Perspektiven für Zuwanderer.

Die Willkommenskultur wird oft als besondere Art des „Umgangs mit Vielfalt“ verstanden. Sie fokussiert sich darauf, wie (neu) zugezogene Personen angesprochen und behandelt werden. Diese Ansätze stehen in engem Zusammenhang mit Konzepten wie Diversity Management und interkultureller Öffnung, die darauf abzielen, den Umgang mit Vielfalt zu verbessern.

Entwicklung des Begriffs Willkommenskultur

Der Begriff Willkommenskultur ist relativ jung im politischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik Deutschland. Er tauchte erstmals im Migrationsbericht 2011 auf, zunächst im Kontext von IT-Fachkräften und akademischen Berufen. Seit der Aufnahme der ersten Flüchtlinge aus dem Irak im Jahr 2009 hat sich der Begriff jedoch ausgeweitet und bezieht sich heute auf eine breitere Palette von Zuwandernden.

Anerkennungskultur vs. Willkommenskultur

Im Gegensatz zur Willkommenskultur, die sich primär an Neuzuwandernde richtet, fokussiert sich die Anerkennungskultur auf die bereits in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund. Sie geht über die erste Begrüßung hinaus und betont die nachhaltige Wertschätzung und Integration dieser Personen in die Gesellschaft.

Wesentliche Aspekte der Anerkennungskultur sind die gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung von Menschen mit Migrationsgeschichte, die Anerkennung ausländischer Qualifikationen und die Förderung des sozialen und beruflichen Aufstiegs von Migranten.

Abgrenzung und Zusammenspiel von Willkommenskultur und Anerkennungskultur

Willkommenskultur und Anerkennungskultur sind komplementär und unverzichtbar für eine erfolgreiche Migrations- und Integrationspolitik. Während die Willkommenskultur vor allem die erste Phase der Ankunft und Orientierung betrifft, zielt die Anerkennungskultur auf die nachhaltige Integration und gesellschaftliche Teilhabe ab. Beide Konzepte ergänzen sich und sind entscheidend für die Entwicklung einer glaubwürdigen und effektiven Integrationspolitik.

Die kulturelle Verankerung von Willkommenskultur

Eine effektive Willkommenskultur erfordert mehr als nur das Aussprechen einer positiven Haltung; sie verlangt nach einer kulturellen Verankerung dieser Haltung im sozialen und administrativen Alltag. Dies bedeutet, dass die Bereitschaft zur Integration aktiv umgesetzt werden muss. Werner Schiffauer, Vorsitzender des Rats für Migration, hat 2015 die Notwendigkeit eines „neuen Wir-Gefühls“ betont, das auch Migranten einbezieht.

Herausforderungen bei der Umsetzung der Willkommenskultur

Obwohl die Willkommenskultur in der Theorie als positiv und unterstützend angesehen wird, gibt es in der Praxis zahlreiche Herausforderungen. Dazu gehören die Überforderung von Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Bürgerproteste gegen Flüchtlings- und Asylheime. Diese Herausforderungen machen deutlich, dass eine bloße Verkündung von Willkommenskultur nicht ausreicht; vielmehr müssen umfassende Maßnahmen und eine echte Integration auf allen Ebenen umgesetzt werden.

Willkommenskultur als Fundament einer erfolgreichen Integrationspolitik

Die Willkommenskultur ist mehr als ein wohlklingender Begriff. Sie bildet das Fundament einer erfolgreichen Integrationspolitik und erfordert das Zusammenspiel von gesellschaftlicher Haltung, politischer Unterstützung und kultureller Verankerung. Nur durch die aktive Umsetzung und kontinuierliche Förderung dieser Kultur können langfristig erfolgreiche Migrations- und Integrationsprozesse in Deutschland gestaltet werden.

Das Projekt „Mehr Willkommenskultur wagen (MWW)“ ist zum 1. August 2024 bei der SüdniedersachsenStiftung gestartet. Mehr dazu lesen Sie in Beitrag #117. Wir laden Sie herzlich zur Kick-off-Veranstaltung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Südniedersachsen, wir müssen reden!“ (#121) ein.

Mehr Willkommenskultur wagen in Südniedersachsen, 24. September 2024, 14:00 – 15:00 Uhr, online (hier zur Anmeldung). Die Veranstaltung ist Teil der bundesweite Aktionswochen zur Fachkräftesicherung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Ansprechpartner:

Dr. Benjamin W. Schulze
Bereichsleiter Fachkräfte und Willkommenskultur
T. 0551/270713-43
mailen

Anfrage

Wir verwenden Ihre Angaben zur Beantwortung Ihrer Anfrage. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Google ReCAPTCHA zu laden.

Inhalt laden