BLOG: Fachkräfte Südniedersachsen

#119 Sprache und Bürokratie hemmen Integration

veröffentlicht am 25.04.2024; Autorin: Laura Brünig

Studienaussteiger-Veranstaltung 26.1.2022

Die Integration von Menschen in den hiesigen Arbeitsmarkt ist ein vielschichtiges Unterfangen. Dabei ist die Integration stets ein fortwährender Prozess und kein Sprint. Er soll es Migrant:innen ermöglichen, sich in ihrem neuen Umfeld, einer unbekannten Gegend und Gesellschaft, zurechtzufinden und aktiv an ihr teilzuhaben. Doch trotz zahlreicher Bemühungen und Programmen stoßen viele Zuwanderer:innen in Deutschland auf erhebliche Hürden. Zwei der größten Hindernisse: Sprache und Bürokratie. Beide wirken oft hemmend und erschweren eine erfolgreiche Eingliederung. Es ist höchste Zeit, dass die gesellschaftlichen Erwartungen und Strukturen überdacht und angepasst werden.

Sprache = Schlüssel zur Teilhabe oder Stolperstein?

Sprache ist zweifellos einer der zentralen Schlüssel zur Integration. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist es nahezu unmöglich, im Alltag, im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Deutsch zu lernen ist jedoch für viele Migrant:innen eine enorme Herausforderung. Der Spracherwerb erfordert Zeit, Ressourcen und Unterstützung – Dinge, die nicht immer im ausreichenden Maße zur Verfügung stehen. Nicht selten setzen Unternehmen den deutschen Spracherwerb voraus – schon vor der Bewerbung.

Viele Sprachkurse sind kostenpflichtig oder erfordern eine bürokratische Genehmigung, die wiederum an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Zudem ist das Angebot an Kursen regional unterschiedlich stark ausgeprägt. In ländlichen Gebieten fehlen oft ausreichende Lernmöglichkeiten, was den Spracherwerb zusätzlich erschwert.

Ein weiterer Punkt ist die fehlende Praxis. Zwar gibt es zahlreiche Sprachkurse, doch die tatsächliche Anwendung der Sprache im Alltag bleibt oft begrenzt. Viele Migrant:innen haben kaum Kontakt zu Muttersprachlern und sprechen in ihren Communities weiterhin ihre Herkunftssprache. Hier fehlt es an gezielten Programmen und Initiativen, die den aktiven Sprachgebrauch fördern.

Bürokratie = ein Labyrinth aus Vorschriften?

Neben der Sprache stellt die Bürokratie vielfach ein enormes Hindernis dar, nicht nur für die Migrat:innen selbt. Deutschland ist bekannt für seine umfangreichen und komplexen Verwaltungsstrukturen. Für Neuzugewanderte kann der Umgang mit Ämtern, Formularen und Vorschriften überwältigend sein. Viele Verwaltungsprozesse sind schwer verständlich und oft nicht in anderen Sprachen verfügbar. Dies führt dazu, dass Migrant:innen Schwierigkeiten haben, ihre Rechte und Pflichten zu verstehen und entsprechende Anträge korrekt auszufüllen.

Ein weiterer problematischer Aspekt ist die Bürokratie im Arbeitsmarkt. Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse sind langwierig und manches Mal für Laien undurchsichtig. Selbst hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland finden sich oft in Jobs wieder, die weit unter ihrem Qualifikationsniveau liegen, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden oder sie die bürokratischen Hürden nicht überwinden können.

25. Fachkräftekonferenz Südniedersachsen thematisierte Integrationshemmnisse

Wir berichteten bereits zur Fachkräftekonferenz in Beitrag #116. Die Konferenz-Beiträge rund um Job-Turbo und Anerkennungsberatung sowie aus Praxisbeispielen zeigen, dass Arbeitsmarktintegration nur dann langfristig gelingen und nachhaltigen Erfolg aufweisen kann, wenn Chancen geboten und wahrgenommen werden. Kurze Wege zwischen den beteiligten Arbeitsmarktakteuren wirken dabei wie ein Katalysator. Auf der 25. Fachkräftekonferenz wurde deutlich, dass eine gelebte Willkommenskultur die Basis für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration ist – und zwar nicht nur für die, die kommen sollen, sondern auch und insbesondere für diejenigen, die bereits hier sind.

Regionale Initiative soll Abhilfe leisten
Der Job-Turbo Südniedersachsen soll Geflüchtete hilft dabei gezielter in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dieses Programm bietet auch Geflüchteten mit geringen Deutschkenntnissen eine reale Perspektive und stärkt die lokale Wirtschaft nachhaltig. Herzstück der Initiative ist ein mehrsprachiges Stellenportal für Migrant:innen mit geringen Deutschkenntnissen. Es wurde vom Jobcenter Landkreis Northeim eingerichtet. Zur Stellensuche geht es hier.

Workshopphase weisen Hürden auf

In einer kleinen Workshopphase während der 25. Fachkräftekonferenz haben die Teilnehmenden über Hürden und Lösungsansätze rund um die Integration von internationalen Fachkräften diskutiert und dabei Arbeitgeber- sowie Arbeitssuchenden-Sicht in den Blick genommen. Als größte Hürden werden Bürokratie, Sprachbarrieren sowie unterschiedliche Erwartungshaltungen von Arbeitsuchenden und Arbeitgebern genannt. Insbesondere die (berufsbezogene) Vermittlung von Sprache / berufsbezogene Sprachkenntnis wird vor Zustandekommen und während des Arbeitsverhältnisses als Erfolgsfaktor einer nachhaltigen Beschäftigung gesehen, oftmals ist dies jedoch auch notwendige Voraussetzung für eine Beschäftigung.

Keine unlösbaren Hürden, zumindest scheint es doch einige Lösungsansätze zu geben. Die Teilnehmenden zählten die Folgenden auf:

  • Schaffung niedrigschwelliger Kontaktangebote in Unternehmen sowie Angebote der vorbereitenden Arbeitsaufnahme durch Praktika,
  • Nutzung der Anerkennungsberatung (BIGS) und Arbeitgeberservices (Agentur für Arbeit), um Qualifikationen und Anforderungen abgleichen / einordnen zu können,
  • Vernetzung der regionalen Unternehmen, um Erfahrungen auszutauschen und voneinander lernen zu können,
  • Schaffung/ Nutzung von überregionalen Strukturen und Sparringspartnern,
  • mehr (über-)betriebliche Unterstützungs-/Beratungsangebote für Arbeitgeber,
  • Einführung eines (überbetrieblichen) Buddy-/Mentoring-Systems,
  • Etablierung inklusiver Teambuilding-Maßnahmen,
  • klar verständliche, realitätsnahe Stellenausschreibungen.

Gesellschaftliche Erwartungen und notwendige Änderungen

Die Gesellschaft muss ihre Erwartungen und Strukturen hinsichtlich der Integration ändern. Integration darf nicht nur als Bringschuld der Migranten gesehen werden, sondern muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Dies erfordert ein Umdenken in verschiedenen Bereichen:

  1. Sprache als gemeinsames Projekt: Sprachkurse müssen niedrigschwellig und flächendeckend angeboten werden. Kostenlose oder stark subventionierte Angebote, kombiniert mit praxisorientierten Lernmöglichkeiten, können den Spracherwerb fördern. Sprachpartnerschaften, bei denen Muttersprachler und Migranten gemeinsam lernen, könnten hier eine effektive Maßnahme sein.
  2. Vereinfachung der Bürokratie: Die Verwaltungsprozesse müssen transparenter und zugänglicher gestaltet werden. Mehrsprachige Informationen und Hilfestellungen sind unerlässlich, um Migranten die Teilhabe zu erleichtern. Digitale Lösungen könnten dazu beitragen, die Bürokratie zu vereinfachen und den Zugang zu Informationen zu erleichtern.
  3. Anerkennung von Qualifikationen: Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufserfahrungen muss beschleunigt und vereinfacht werden. Ein zentralisiertes, transparentes und effizientes System könnte verhindern, dass Fachkräfte ihre Potenziale nicht ausschöpfen können.

Förderung von Kontakten und Austausch: Programme, die den Kontakt zwischen Migranten und der einheimischen Bevölkerung fördern, können gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz stärken. Gemeinsame Projekte und Aktivitäten tragen dazu bei, soziale Barrieren abzubauen.

Sprache und Bürokratie stellen erhebliche Hindernisse auf dem Weg zur erfolgreichen Integration dar. Um diese Herausforderungen zu überwinden, bedarf es einer Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen und Erwartungen. Integration muss als gemeinsame Aufgabe verstanden und aktiv gestaltet werden. Nur so kann eine inklusive Gesellschaft entstehen, in der jeder die Chance hat, sein Potenzial voll zu entfalten und zur Gemeinschaft beizutragen.

Besser Ankommen mit Welcome Centre Südniedersachsen

Damit Fach- und Führungskräfte besser in unserer Region ankommen können, gibt es das Welcome Centre Südniedersachsen. Das Welcome Centre für den Göttingen Campus und die Region Südniedersachsen – so lautet die offizielle Bezeichnung – ist die erste Anlaufstation für neue Fach- und Führungskräfte in Südniedersachsen. Die zwei Beraterinnen bei der SüdniedersachsenStiftung begleiten, informieren und unterstützen Unternehmen und Zuziehende aus dem In- und Ausland bei allen Fragen sowie Formalitäten rund um Ankunft und Aufenthalt in der Region. Gleiches übernehmen die bei der Georg-August-Universität Göttingen angesiedelten Mitarbeiter:innen, indem sie gezielt vor allem Forscher:innen und Wissenschaftler:innen sowie Mitarbeitende in den Universitäts- und Forschungseinrichtungen unterstützen. Das oberste Ziel ist es stets, ankommenden Fach- und Führungskräften einen bestmöglichen Start in ihrer neuen Heimat zu bieten und langfristig in Südniedersachsen und an ihr jeweiliges Unternehmen zu binden. Sie sollen sich in Südniedersachsen schnell und unkompliziert heimisch fühlen. Das Welcome Centre ist damit der Partner für das regionale Onboarding!

Ansprechpartnerin:

Laura Brünig
Projektleiterin Fachkräftebündnis Südniedersachsen
T. 0551/270713-42
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