Südniedersachsen. Schulabsentismus ist ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft und ein komplexes Thema, das viele verschiedene Einflussfaktoren und Facetten umfasst: Immer mehr Schüler:innen bleiben dem Unterricht regelmäßig fern, was langfristig negative Auswirkungen auf ihre Bildung und ihre Zukunftschancen haben kann. Daher fand am 28. November im Rahmen des Netzwerks Schulabsentismus eine Autorenlesung mit anschließender Podiumsdiskussion statt, die die Bildungsregion Südniedersachsen in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Zentrum Göttingen e.V. organisiert hat. Mehr als 70 Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter:innen, Eltern, Ärzt:innen, Mitarbeiter:innen der Jugendhilfe sowie Interessierte nahmen an der Veranstaltung teil.
„Mir ist es wichtig zu betonen, dass schulabsentes Verhalten bei einem Kind meistens nicht auf eine Ursache oder einen Einflussfaktor zurückzuführen ist, was die Problemlösung sehr komplex macht“, so Autor Hendrik von Drachenfels, der mittlerweile auch als Grundschullehrer in Hannover arbeitet. Der Autor hat in seiner Kindheit unter Schulphobie gelitten. Sein Roman „Irgendwas in mir“ basiert auf persönlichen Erfahrungen und gibt Einblicke in die verschiedenen Emotionen von Schulabsentismus sowie mögliche Lösungsansätze. In der Lesung stellte der Autor ausgewählte Passagen aus seinem Werk vor und beleuchtete dabei die verschiedenen Aspekte des Problems. Von Drachenfels wurde dabei vom Journalisten Thomas Kopietz begleitet, der mit seinen interessanten Fragen die Lesung bereicherte. Gemeinsam diskutierten sie mögliche Ursachen für Schulabsentismus und Lösungsansätze.
„Die Begriffe Schulschwänzen, Schulangst und Schulphobie sind in der Theorie hilfreich, um die verschiedenen Ebenen zu begreifen. Jedoch zeigt mein Beispiel, dass ich unter allen drei Aspekten gelitten habe“, betonte von Drachenfels. Er habe keine Lust gehabt zur Schule zu gehen, stand unter Leistungsdruck von Benotungen und Prüfungen und wies auch psychosomatische Angstsymptome auf. Dies alles habe ihn dazu veranlasst, der Schule fernzubleiben und sich in Sicherheit zu Hause aufzuhalten. Auf die Frage, was der Schriftsteller den Schüler:innen, die Ängste haben oder Anzeichen für schulabsentes Verhalten zeigen, empfehlen würde, antwortete er: „Ich würde ihnen raten, so schnell wie möglich in kleinen für sie machbaren Schritten zurück zur Schule zu gehen, da die Angst immer größer wird.“ Er habe das Gefühl, dass, wenn er seinem Schulbegleiter bereits am ersten Tag begegnet wäre, er wahrscheinlich nicht ein ganzes Jahr schulabsent gewesen wäre. Laut von Drachenfels müsse Prävention schon in der Grundschule beginnen.
Nach dem Interview mit Lesung aus einzelnen Passagen wurde das Publikum mit eingebunden. Die Lesung bot eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und Ideen sowie die Möglichkeit, Fragen an den Schriftsteller zu stellen. Sie diente dazu, das Bewusstsein für Schulabsentismus zu schärfen, ein besseres Verständnis für diese Problematik zu entwickeln und mögliche Handlungsoptionen zu diskutieren. „Als ich das Buch ‚Irgendwas in mir‘ gelesen hatte, habe ich es bei jeder Gelegenheit weiterempfohlen. Das Buch könnte bei Schüler:innen, bei denen sich schulabsentes Verhalten andeutet, Impulse zur Selbstreflexion auslösen geben sowie als Präventionsarbeit und Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung und Stärkung der eigenen Handlungsfähigkeit dienen“, so die Koordinatorin des Netzwerks Schulabsentismus Dr. Lilit Sargsyan.