BLOG: Fachkräfte in Südniedersachsen

#110 Fachkräftemigrationsmonitor 2023

veröffentlicht am 14.05.2024; Autorin: Ulrike Streicher

Fachkräftemigrationsmonitor

Der Fachkräftemangel ist zu einer der drängendsten Herausforderungen für Unternehmen in Deutschland geworden. Die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften gestaltet sich zunehmend schwierig, was sich negativ auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit vieler Branchen auswirkt. Der vor allem demografisch bedingte Fachkräftemangel ist längst Realität, und die aktuelle Rezession auf dem Arbeitsmarkt verschärft diese Situation noch weiter.

Lösungsansätze

Es gibt verschiedene Ansätze, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Unternehmen können in Aus- und Weiterbildung investieren, um sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter:innen die erforderlichen Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt haben. Die Förderung digitaler Kompetenzen und die Nutzung moderner Technologien können die Effizienz steigern und attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen. Flexible Arbeitsmodelle, wie Homeoffice oder Teilzeitarbeit, können die Work-Life-Balance verbessern und die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen stärken.

Fluchtmigration vs. Erwerbsmigration?

Zudem kann die internationale Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland dazu beitragen, offene Stellen zu besetzen. Die Debatte über die Zuwanderung nach Deutschland wird derzeit von der steigenden Fluchtmigration, zuletzt aus der Ukraine und anderen Teilen der Welt, dominiert. Dabei gerät oft aus dem Blickfeld, dass Deutschland neben einer verstärkten inländischen Erwerbsbeteiligung auch auf internationale Arbeitskräfte angewiesen sein wird, um seinen Wohlstand zu sichern und die sozial-ökologische Transformation zu gestalten.

Die Ergebnisse des Fachkräftemigrationsmonitors auf einen Blick:

Die Erwerbsmigration von Personen außerhalb der EU nach Deutschland verzeichnete im letzten Jahr einen Anstieg um 75 % auf rund 71.000 Personen im Vergleich zum Jahr 2021, was einen neuen Rekordwert darstellt.
➡  40 Prozent dieser Personen stammen aus  europäischen Nicht-EU-Staaten stammen aus europäischen Nicht-EU-Staaten, insbesondere vom Westbalkan, während 40 Prozent aus Asien, hauptsächlich aus der Türkei und Indien, kommen. Lediglich sechs Prozent der Erwerbsmigranten stammen aus afrikanischen Staaten.

➡ Ein entscheidender Faktor hierfür sind die Engpässe an Fachkräften in Unternehmen, von denen laut einer aktuellen Umfrage mehr als zwei Drittel (70,4 %) betroffen sind. Dies entspricht etwa dem Niveau des Vorjahres mit 72,7 Prozent. Insbesondere besteht ein hoher Bedarf an Fachkräften mit Berufsausbildung, gefolgt von Hochschulabsolventen, während der Bedarf an Personen ohne Berufsausbildung vergleichsweise gering ist.
➡ Die Zahl der Einwanderer aus anderen EU-Staaten ist in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen, von etwa 685.000 im Jahr 2015 auf 469.000 im Jahr 2021. Dieser Trend setzte sich im letzten Jahr mit 482.000 vorläufig nicht fort. Mit dem Rückgang der EU-Erwerbsmigration, die für den deutschen Arbeitsmarkt von großer Bedeutung ist, gewinnt die Zunahme der Erwerbsmigration aus Nicht-EU-Staaten an Bedeutung.
➡ Trotz der vorhandenen Fachkräfteengpässe rekrutieren nur 16,8 Prozent der Unternehmen im Ausland – ähnlich viele wie in den Vorjahren. Als Hauptgründe für diese Zurückhaltung gelten nach wie vor sprachliche Barrieren und die Schwierigkeit, ausländische Qualifikationen angemessen zu bewerten. Rechtliche und bürokratische Hindernisse werden weniger als in den Vorjahren als problematisch wahrgenommen.
➡ 71,4 Prozent der Unternehmen in Deutschland fordern mehr Unterstützung bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte in Form von Vermittlungsabkommen zwischen Deutschland und anderen Ländern.

Erwerbsmigration laut Fachkräftemigrationsmonitor

Der aktuelle Fachkräftemigrationsmonitor aus dem Jahr 2023, der ein umfassendes Bild des Zuzugs ausländischer Fachkräfte nach Deutschland zeichnet, indem er die Nachfrage der Unternehmen nach Fachkräften, die Rekrutierung internationaler Arbeitskräfte und den tatsächlichen Zuzug analysiert, gibt dabei Anlass zur Hoffnung: Im letzten Jahr verzeichnete die Erwerbsmigration mit rund 71.000 Personen einen neuen Höchststand, was einem Anstieg um beachtliche 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dieser Zuwachs ist auch auf die neuen Möglichkeiten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (wir berichteten dazu #82 und zu den jüngsten Neuerungen #98) zurückzuführen, das als Reaktion auf die veränderte Situation entwickelt wurde und zunehmend wirksam wird.

Grafik zu Zuzügen von Fachkräften aus Drittstaaten zur Erwerbstätigkeit (2015-2022)

Erwerbsmigration nimmt zu

Die Erwerbszuwanderung aus Drittstaaten erreicht einen neuen Höchststand. Dennoch macht diese Zuwanderung nur einen kleinen Teil der Gesamtzuwanderung aus. Der Fachkräftemigrationsmonitor zeigt auch, dass Fachkräfte vermehrt über (Aufenthalts-)Statuswechsel gewonnen werden, was auf eine verbesserte Integration hinweist. Frauen sind in der Erwerbsmigration aus Drittstaaten weiterhin jedoch unterrepräsentiert, wobei der Anteil je nach Aufenthaltstitel variiert.

Es wird im Fachkräftemigrationsmonitor aber auch deutlich, dass Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Betriebe, trotz des dringenden Fachkräftemangels bisher zögerlich sind, auf ausländisches Personal zurückzugreifen. Nur etwa 17 Prozent der Unternehmen wählen diesen Weg, und nur rund 5 Prozent rekrutieren Auszubildende aus dem Ausland. Dies liegt hauptsächlich an sprachlichen Barrieren, der Schwierigkeit bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen und bürokratischen Hürden.

Grafik zur Frage: Wieso rekrutieren Sie keine ausländischen Fachkräfte?"

Game changer

Die Ergebnisse des Fachkräftemigrationsmonitors 2023 zeigen deutlich, dass die Erwerbsmigration eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung des Fachkräftemangels in Deutschland spielen kann. Es ist daher entscheidend, dass Unternehmen die Chancen der internationalen Rekrutierung erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um von diesem Potenzial zu profitieren.

Die effektive Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ist hierbei als Game changer zu sehen: Denn die Optimierung und bessere personelle Ausstattung der Migrationsverwaltung, die Vereinfachung von Verfahren und eine bessere Qualifizierung des Personals wird entscheidend dazu beitragen, dass die von Unternehmen wahrgenommenen Hürden zu verringern.

Wir brauchen mehr Akteptanz

Es ist jedoch klar, dass allein technische Maßnahmen nicht ausreichen, um Deutschland als attraktives Ziel für internationale Fachkräfte zu positionieren. Es bedarf auch einer gesellschaftlichen Akzeptanz und Unterstützung sowie der Überwindung von Vorbehalten in Unternehmen. Insgesamt stehen wir vor komplexen Herausforderungen im Bereich der Fachkräftemigration, die eine ganzheitliche Herangehensweise erfordern. Die Umsetzung des weiterentwickelten Rechtsrahmens sowie  ist ein wichtiger Schritt, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Ansprechpartner:

Dr. Benjamin W. Schulze Bereitsleiter Fachkräfte und Willkommenskultur T. 0551/270713-43 mailen

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