BLOG: Fachkräfte in Südniedersachsen

#82 Fachkräfteeinwanderungsgesetz – die Änderungen im Quick Check

veröffentlicht am 23.11.2023; Autorin: Ulrike Streicher

Farbenkasten

Bildrechte: envato/DragonImages

Das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung ist in aller Munde: Es stellt einen Paradigmenwechsel im Verständnis der seit Jahrzehnten durchgeführten Einwanderungspolitik dar. Bis zum Jahr 2023 galt der Status als Fachkraft (d.h. Personen mit akademischer oder abgeschlossener beruflicher Ausbildung) als maßgebend für die Erteilung eines langfristigen Visums zur Arbeitsaufnahme in Deutschland. Mit der Reformierung des Gesetzes, das die Anerkennung einer im Ausland absolvierten Ausbildung auch nach Einreise nach Deutschland erlaubt, will die Bundesregierung die Arbeitsmigration nach Deutschland erleichtern. Hochqualifizierte Arbeitnehmer:innen sollen schneller und unbürokratischer in Deutschland arbeiten können.

„Wir wollen, dass Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen und durchstarten können. Bürokratische Hürden wollen wir aus dem Weg räumen. Wenn Menschen Berufserfahrung oder persönliches Potenzial mitbringen, werden wir es ihnen ermöglichen, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Dies ist auch dringend nötig: Denn selbst, wenn es möglich wäre, inländische Potenziale hochzufahren und voll auszuschöpfen, benötigt der deutsche Arbeitesmarkt nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jedes Jahr eine Nettozuwanderung von 400.000 ausländischen Erwerbsmigranten, um dass Arbeitskräfteangebot in Deutschland bis 2060 nahezu konstant zu halten.

Des einen Freud ist des anderen Leid

Während dementsprechend die mit dem Gesetz einhergehenden Erleichterungen bei Unternehmen, die unter dem Fachkräftemangel ächzen, auf viel Zuspruch stoßen, sieht sich die Migrationsverwaltung vor sehr große Herausforderungen gestellt. Die Ausländerbehörden sind bereits jetzt in einigen Regionen oder Ballungszentren so überlastet, dass zu erwarten ist, dass eine neue Flut von Anträgen, die Verwaltung komplett zum Erliegen bringt. Denn Entlastungen und finanzielle Hilfen für eine Reform oder Digitalisierung der Migrationsverwaltung sind bei der Gesetzesreform nicht vorgesehen. Auch dass den Ausländerbehörden die diesbezüglichen Umsetzungsrichtlinien erst kurz vor Inkrafttreten der ersten Gesetzesänderungen zur Verfügung gestellt wurden, lässt nicht vermuten, dass die Verwaltung diese sofort adaptieren und umsetzen kann.

Stichtag 18. November: Erste Neuerungen treten in Kraft

Was die wichtigsten, bereits wirksamen Änderungen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz sind und wen sie betreffen, zeigt unser folgender Quick Check:

  1. Neugestaltung der Blauen Karte EU
  2. Fachkräfte mit Berufsausbildung und Fachkräfte mit akademischer Ausbildung
  3. vereinfachte Beschäftigung von Berufskraftfahrenden aus Drittstaaten

 

1. Neugestaltung der Blauen Karte EU

Der bei Fachkräften besonders beliebte Aufenthaltstitel, die sog. Blaue Karte EU, wird mit der Gesetzesreform noch deutlich attraktiver gestaltet: Die Gehaltsgrenzen, die eine Fachkraft als Voraussetzung nachweisen muss, werden deutlich abgesenkt. Künftig gilt ein Mindestgehalt von 50 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (für 2023: rund 43.800 €). Auch für Fachkräfte, die in sog. Engpassberufen arbeiten, wird die Gehaltsgrenze für die „Blaue Karte“ auf 45,3 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (für 2023: rund 39.682,80€) verringert. Dabei wird die Liste der Engpassberufe für die Blaue Karte EU deutlich erweitert. Zusätzlich zu den bisherigen Engpassberufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Humanmedizin) können künftig auch Fachkräfte in folgenden Berufsgruppen eine Blaue Karte EU erhalten, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Führungskräfte in der Produktion bei der Herstellung von Waren, im Bergbau und im Bau sowie in der Logistik,
  • Führungskräfte in der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie,
  • Führungskräfte in der Erbringung von speziellen Dienstleistungen, wie zum Beispiel in der Kinderbetreuung oder im Gesundheitswesen,
  • Tierärztinnen und Tierärzte,
  • Zahnärztinnen und Zahnärzte,
  • Apothekerinnen und Apotheker,
  • Akademische und vergleichbare Krankenpflege- und Geburtshilfefachkräfte,
  • Lehr- und Erziehungskräfte im schulischen und außerschulischen Bereich

Auch der Kreis derer Personen, die eine Blaue Karte EU beantragen dürfen, wurde erweitert: Beispielsweise können nun auch ausländische Berufseinsteiger:innen, die innerhalb der letzten drei Jahre einen Hochschulabschluss erworben haben, diesen Aufenthaltstitel beantragen. Neu ist zudem, dass IT-Spezialist:innen auch eine Blaue Karte EU erhalten, wenn Sie keinen Hochschulabschluss, dafür aber mindestens 3 Jahre Berufserfahrung nachweisen können. In beiden Fällen muss dafür „nur“ die niedrigere Gehaltsgrenze für Engpassberufe nachgewiesen werden.

Darüber hinaus wird für Inhaber:innen der Blauen Karte EU, die ein anderer EU-Staat ausgestellt hat, die Mobilität nach Deutschland erleichtert. Für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen, der mit beruflichen Zwecken verbunden ist, muss weder ein Visum noch eine Arbeitserlaubnis beantragt werden. Für Inhaber:innen der Blauen Karte EU, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat gelebt haben, wird außerdem der Familiennachzug privilegiert geregelt. Sind diese Familienangehörigen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit visumpflichtig, sind sie berechtigt, mit den im vorherigen Mitgliedsstaat ausgestellten Aufenthaltstiteln als Familienangehörige einer Blaue-Karte-EU-Inhaber:in nach Deutschland einzureisen und sich hier aufzuhalten, ohne zuvor ein Visumverfahren zu durchlaufen. Zudem muss bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland kein ausreichender Wohnraum oder die Sicherung des Lebensunterhaltes nachgewiesen werden.

2. Fachkräfte mit Berufs- und akademischer Ausbildung

Eine der zentralen Änderungen, die am 18. November 2023 wirksam wurden, ist, dass die Beschränkung, dass ausländische Fachkräfte nur mit der Befähigung eines Berufsabschlusses arbeiten dürfen, aufgehoben wird. Stattdessen ist die Aufnahme jeglicher qualifizierter Beschäftigung erlaubt. Einzige Ausnahme bilden reglementierte Berufe.

3. Berufskraftfahrende

Bei internationalen Arbeitskräften aus dem Bereich der Berufskraftfahrenden wird besonders die Zustimmungserteilung der Bundesagentur für Arbeit simplifiziert. Weder der Besitz eines EU-Führerscheins oder einer Grundqualifikation noch der Besitz von Deutschkenntnissen muss noch nachgewiesen werden. Es wird zudem keine sog. Vorrangprüfung mehr durchgeführt.

Weitere Änderungen des neuen Fachkräfteinwanderungsgesetzes treten im März und Juni 2024 in Kraft. Auf diese gehen wir entsprechend in künftigen Beiträgen konkreter ein.

Ansprechpartner:

Dr. Benjamin W. Schulze
Bereitsleiter Fachkräfte und Willkommenskultur
T. 0551/270713-43
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