BLOG: Fachkräfte in Südniedersachsen

#46 Ideen für Fachkräftestrategie

veröffentlicht am 19.09.2022; Autor: Benjamin Schulze

Farbenkasten

Die deutsche Volkswirtschaft ist wieder im Krisenmodus. Durch die nachlassenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie der ersten Monate 2022 hat sich der Arbeitsmarkt zunehmend entspannt. Wir beobachteten in Südniedersachsen sinkende Arbeitslosenquoten und steigende Bereitschaft regionaler Unternehmen die eigene Nachfrage nach Arbeitskräften wieder zuzulassen. Doch vor dem Hintergrund des andauernden Russisch-Ukrainischen Krieges und der damit einhergehenden Belastungen aus Inflation, Ressourcenmangel und gestörten Lieferketten kehrt sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt wieder um. Mitten in einer wachsenden Energiekrise halten viele Unternehmen Investitionen aus Sorge vor dem nahenden Winter massiv zurück, das betrifft nicht zuletzt auch neues Personal. Auf den Prioritätenlisten dominieren stattdessen Bestandssicherung und -erhalt. Der Fachkräftemangel droht dabei aus den Augen verloren zu gehen.

Arbeitsmarktpronose

Die Fachkräftelücke beläuft sich national mitterweile auf 465.000 gesuchte Arbeitskräfte. Gleichzeitig legen einige Prognosen nahe, dass bis 2030 rund 5 Mio. Menschen mehr in den Ruhestand gehen als neu in Arbeitsmarkt eintreten. Die eigenen Potenziale der deutschen Wirtschaft reichen Stand heute nicht aus, um Wachstum und Sicherung des Lebensstandards langfristig zu gewährleisten. Das gilt insbesondere, wenn wir berücksichtigen vor welche ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen die Gesellschaft steht. Anfang September 2022 stellte die Bundesregierung ihren Entwurf zur neuen Fachkräftestrategie vor; wir berichteten dazu (siehe Blog-Beitrag #45). Zu diesem Anlass formulierte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ihre zehn Kernpunkte für die Arbeits- und Fachkräftesicherung, auf die wir im Folgenden kurz eingehen.

Zehn Kernpunkte der BDA

1. Nachwuchssicherung durch verbesserte Berufsorientierung und Stärkung der dualen Ausbildung: Das Interesse von Jugendlichen und ihrem Umfeld an einer Ausbildung müsse durch Aufzeigen der vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten stärker geweckt werden.

2. Zielgerichtete und arbeitsmarktorientierte Weiterbildung und Qualifizierung/Lebenslanges Lernen: Lebenlanges Lernen müsse Teil der Unternehmens-DNA und für das Berufsleben selbstverständlich werden. Im Fokus solle insbesondere die betriebliche Weiterbildung stehen; eine praktikable Förderung fehle allerdings. Gefordert wird die Integtration geeigneter Fördermöglichkeiten in ein Gesamtkonzept.

3. Aktivierende Arbeitsmarktpolitik zur Unterstützung von Menschen bei der Integration in Arbeit: Personengruppen, die es am Arbeitsmarkt schwerer haben (Ältere, Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit Migrationsgeschichte) müssten besser unterstützt werden; vorgeschlagen werden intensivere Betreuung, Beratung und gezielte Förderung. Das geplante Bürgergeld würde, so die Kritik, zu wenig Anreize für die Aktivierung ungenutzter Potenziale enthalten.

4. Digitalisierung und Automatisierung: Beide Aspekte seien weniger Bedrohung sondern Chancen und Teil der Lösung. Künstliche Intelligenz und digitale Assistenzzsysteme könnten den Arbeitsmarkt entlasten. Hierfür fordert der BDA ein positives Mindset gegenüber neuer Technologien; die Grundlage dafür müsse in der Schule mit Vermittlung digitaler Kompetenzen gelegt werden. Gerade ländliche Räume könnten durch Digitalisierung neue, positive Impulse erfahren.

5. Moderner Arbeitszeitrahmen: Die deutsche Arbeitszeitkultur benötige dringend ein Update. Denkbar sei Fokussierung auf Wochen- nicht auf Tagesarbeitszeit. Die Gesetzunggebung müsste hierfür mehr Freiheit schaffen für eine flexiblere Gestaltbarkeit von Arbeitszeit und -ort.

6. Gute Arbeitsbedingungen: Arbeitsplatzattraktivität, diversere Personalpolitik, Inklusion und gezieltes Personalmarketing rückten immer stärker in den Mittelpunkt. Die BDA fordert stärkeren Bürokratieabbau und Unterstütztung, um insbesondere in KMU zur langfristigen Bestandssicherung von Arbeitsplätzen beizutragen.

7. Längeres Arbeiten: Alle müssten befähigt werden, so lange und so gesund wie möglich zu arbeiten. Die Zahl derjenigen, die wegen einer Erwerbsminderung den Arbeitsmarkt vorzeitig verlassen, seinoch zu hoch. Diesem Umstand sei durch Prävention und Rehabilitation entgegenzusteuern. Das Reha-System sei noch nicht optimal aufgestellt. Anreize für eine Frühverrentungsanreize müssten abgeschafft werden.

8. Höhere Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen: Durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weniger Teilzeit und mehr Vollzeiterwerbstätigkeit könne das bestehende Erwerbspersonenpotenzial substanziell erhöht werden.

9. Erwerbsmigration nach und weniger Abwanderung aus Deutschland: Die Gesellschaft müsse Menschen aus dem Ausland besser willkommen heißen und für Detuschland als Arbeitsort werben. Notwendige Voraussetzung sei durch Bund und Länder zu schaffen und erfordere einen Bürokratieabbau. Es müsse besser und konsequenter ergründet werden, warum viele Menschen (2021: fast 1 Mio.) Deutschland verlassen.

10. Bessere Integrations- und Partizipationsmöglichkeiten für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte: Der BDA fordert zielgruppengerechtere Sprachförderung und qualifikationsadäquate Berufsanerkennung. Das Gesetz zum Chancenaufenthaltsrecht wird begrüsst als Schritt in die richtige Richtung.

Ableitungen für Südniedersachsen

Was folgern wir daraus für unsere Region? Der Fachkräftemangel führt dazu, dass sich auf dem Arbeitsmarkt ein Wandel vom Arbeitgeber- hin zum Arbeitnehmermarkt vollzieht – dazu lesen Sie unseren Blog-Beitrag #20. ArbeitnehmerInnen können sich ihren Arbeitsplatz zunehmend beliebig aussuchen. Mit steigender Auswahl werden sich ArbeitnehmerInnen für jene Unternehmen entscheiden, die das jweils beste Gesamtpaket anbieten. Und dieses Paket setzt sich in der Regel nicht mehr nur aus finanziellen Argumenten zusammen, sondern besteht auch aus vielen „weichen“ Faktoren, die z.B. die Work-Life-Balance betreffen. Hier hat unsere Region bereits viel zu bieten, doch ist dieses nicht nur für Auswärtige aktuell nur begrenzt sichtbar. Die Vorzüge Südniedersachsens müssen sichtbarer werden! Gleichzeitig sind es vor allem die regionalen Unternehmen, die diese Veränderungen erkennen und sich entsprechend aufstellen müssen, Stichwort Arbeitgebermarketing (dazu siehe Blog-Beitrag #3, #16 oder #41. Sie haben ein großes Interesse daran, dass sich eine regionale Gemeinschaft findet, um ein gemeinsames Marketing für Südniedersachsen zu realisieren, wie es bereits das Projekt „Fachkräftemarketing für Südniedersachsen“ empfohlen hat. Ein „weiterso“, das sollte immer deutlicher werden, reicht weder den Unternehmen noch der Region Südniedersachsen als Ganzes aus.

Ansprechpartner:

Dr. Benjamin W. Schulze
Bereitsleiter Fachkräfte und Willkommenskultur
T. 0551/270713-43
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